Zum
Bedenkjahr 1993
Zahlreiche
Gedenkfeiern erinnern uns in diesem Jahr wieder an verschiedene Ereignisse von
1933, 1938 und 1943. Damals stürzte die ganze Welt in einen schrecklichen Krieg
mit vielen Millionen Toten. Wie zu allen Zeiten gab es auch damals einige wenige
"Weitsichtige", die schon sehr früh versuchten, das Volk vor Hitler
zu warnen. Die Demokratie (über 98% für den Anschluß Österreichs an
Hitler-Deutschland) und die geistliche Führung des Landes ("Feierliche
Erklärung" der Bischöfe Österreichs als herzlicher Willkommens- und
Segensgruß für Hitler) erwiesen sich jedoch als völlig machtlos gegenüber
den wahnsinnigen Bestrebungen einer ganz kleinen Gruppe. Jahrzehntelang waren
wir der Meinung, solche Ereignisse könnten sich nicht
wiederholen,
denn die Menschheit würde aus ihrer Geschichte lernen. Spätestens seit dem
Jugoslawienkrieg - wo Satan wieder einmal seine ganze Macht zeigt - bzw. der
offensichtlichen Ohnmacht der Politiker gegenüber dem Ausländerhaß müssen
auch notorische Optimisten erkennen, daß es eine Entwicklung der Menschen in
Richtung Menschlichkeit nicht gibt. Das Gegenteil ist der Fall: Nachdem wir für
die Kindererziehung immer weniger Zeit haben, überlassen wir diese meist
kampflos einer menschenverachtenden Mentalität, in der brutalste Gewalt und Sex
(in Fernsehen, Video und anderen Medien) zum gewöhnlichen Alltag gehören.
Es besteht kein
Zweifel, daß diese Saat bereits wieder am Aufgehen ist! Die Verantwortlichen
unseres Volkes
in Politik und Kirche, denen wir jahrzehntelang vertraut haben, haben versagt.
Die christlichen Politiker
In der Meinung, mit dem Zeitgeist gehen zu müssen,
üben sich die meisten christlichen Politiker in falscher Toleranz. Man beschäftigt
sich lieber mit Wirtschaftsthemen oder "EG um jeden Preis", während
man das Unterrichtsministerium gerne den liberalen Sozialisten überläßt. Es
gibt kaum ernstzunehmende Initiativen gegen die planmäßige Zerstörung der Ehen und Familien oder gegen den
Kindermord an der zukünftigen Generation unseres Volkes. Wenn man christliche
Politiker auf ihre Verantwortung anspricht, bekommt man leider oft zur Antwort:
"Wenn sich nicht einmal die Priester und Kirchenfunktionäre eindeutig
gegen die Abtreibung aussprechen, werden wir nicht
'päpstlicher sein als der Papst'!" Es bleibt
jedoch nicht bei der Toleranz: Immer häufiger ist ein aktives Auftreten
"christlicher" Politiker gegen die Kirche bzw. den christlichen
Glauben zu beobachten.
Die Hirten der Kirche
Aufgabe der Hirten wäre es, das Volk in die ewige
Seligkeit zu führen. Das heißt, sie müßten der Herde den richtigen Weg
zeigen und diese vor Irrwegen warnen (z.8. Ez.3;33). Christus hat diesbezüglich
genaue Anweisungen gegeben (z.B.: "... geht zu allen Völkern, ... und
lehrt sie alles zu befolgen, was ich euch geboten habe" Mt.28,19f
oder "Denkt nicht, ich sei gekommen, um das
Gesetz ... aufzuheben" Mt.5, 17). In der 2000-jährigen Geschichte der
Kirche hat es wohl kaum eine Zeit gegeben, in der die Gebote Gottes weniger verkündet
wurden und den Menschen stattdessen eine Gratis-Seligkeit versprochen wurde.
Heute wird zwar Gottes große Barmherzigkeit verkündet, die Voraussetzung für
das Erlangen dieser Barmherzigkeit wird jedoch verschwiegen, nämlich Umkehr und
Buße! Man bedenke nur, wie oft Christus Z.8. über die Unauflösbarkeit der Ehe
und den Ehebruch gepredigt hat. Auch hat Er Immer wieder in
Seinen
Gleichnissen vor der Hölle gewarnt. Ja, durch Christus haben wir überhaupt
erst richtig von den Schrecken der Hölle erfahren! Wenn die Hirten heute
meinen, "diese Themen kann man den Menschen nicht mehr zumuten", dann
müssen sie damit scheitern! Christus sagte: "Wer auch nur eines von den
kleinsten Geboten aufhebt und die Menschen entsprechend lehrt, der wird im
Himmelreich der Kleinste sein" (Mt.5,19). Und die Gebote, die heute
verschwiegen bzw. aufgehoben werden, sind beileibe nicht die kleinsten
(Gottesliebe, Kindermord, Ehebruch usw.). Tatsächlich zeugt dieses Verhalten
von fehlender Nächstenliebe und purem Unglauben: Würden die Verantwortlichen
in der Kirche ernsthaft glauben, daß sie für jede einzelne ihnen anvertraute,
verlorengegangene Seele einst zur Rechenschaft gezogen werden, wäre eine derartige massenhafte Abweichung von der wahren
Lehre Christi völlig undenkbar!
Konzentrationslager
Dachau
Einmal
anders gesehen
Als
wir "Systemgegner" nach wochenlanger Haft in der Nacht des 23. Mai von
der SS mit Gewehrkolben in den Schnellzug getrieben wurden, war uns klar, daß
dieses Rollkommando uns ins Lager Dachau bringen sollte. Gleich nach der Abfahrt
lernten wir die Methoden kennen, mit denen jeglicher freie Wille ertötet
wurde. Mit den Händen auf den Knien mußten wir stundenlang ins Deckenlicht
starren und uns jegliche Mißhandlung schweigend gefallen lassen. Wir hatten Glück,
wenn wir nur mit eingeschlagenen Rippen und Zähnen blutüberströmt vormittags
im Lager ankamen, dessen Tor die Inschrift trug: "Arbeit macht
frei!" Dieses eiserne Tor schloß sich für Monate und Jahre hinter uns.
Nach dem Willen Himmlers sollte am Ende niemand mehr lebend in die Hände der
Alliiertern fallen.Eines
aber haben wir Überlebende alle gemeinsam: Uns allen ist es noch unfaßbar,
daß wir dieser Hölle lebend entrinnen konnten, daß menschlicher Körper
und Geist imstande waren, alle Zerreißproben des Lebens zu bestehen und soweit
immer Herr unserer Sinne zu bleiben, daß wir nicht in Verzweiflung in den
elektrischen Draht liefen. War uns doch von der ersten Stunde an klar, daß wir
es nicht mehr mit normalen Menschen zu tun hatten, sondern mit
personifizierten Dämonen, die in uns nicht mehr Mitmenschen sahen, die auf
Menschenwürde Recht hatten, sondern nur mehr Objekte, an denen sie ungestraft
ihre sadistische Leidenschaft austoben konnten.Alles,
was im alten Österreich wirklich Rang und Namen hatte, war in Dachau
versammelt, sodaß Grillparzer über das Lager geschrieben hätte: "In
deinem Lager ist Österreich." War schon durch die Gewalttaten bei der
Einlieferungsfahrt die Angst vor dem gewaltsamen Sterben vorherrschend, so war
man im Lager selbst bald darauf bedacht, sich gegenseitig zu trösten und
aufzurichten. Die wenigen
freien Stunden gaben Gelegenheit, sich Mut zuzusprechen und das quälende
Heimweh zu überwinden, da nur alle 14 Tage ein einziger Brief gestattet war.
Die Kameradschaft untereinander sorgte auch dafür, daß man bald in bessere
Arbeit kam, die natürlich nicht dauernd war. Aber kein Tag verging, an dem man
nicht neue Gewalttaten mitansehen oder selbst erleben mußte. Während die
Blutfahnen über allen "Gauen" wehten und helle Begeisterung auslösten,
bekamen gerade wir die ganze nackte Brutalität des Terrors zu spüren.
Seelische Einsamkeit umfing uns. Losgelöst von allem, was uns daheim teuer war
und als höchster Lebenszweck galt, wie Familie, Stellung, Besitz und Vermögen,
waren wir jetzt alle gleichgeschaltet im blaugestreiften Gewande.
Nur mehr der Charakter wog. Es schieden sich Helden von jämmerlichen
Kreaturen, die gerade genug waren, der SS als Henkersknechte zu dienen. In den
meisten aber ging eine innere Umwandlung vor sich, die neue Menschen formte,
wetterhart und kompromißlos wie die Wettertannen im eisigen Sturmwind.
Bald,
ja sehr bald wurde uns klar, daß es ein infernalischer Haß war, der die
Schergen von der SS antrieb, aus Österreich alle Spuren von Religion zu
entfernen. Wir erkannten nur zu bald, mit welchen Mitteln auch den neugeworbenen
SS-Leuten aus unserem Lande der Glaube aus dem Herzen gerissen wurde. Wurden
doch gleich am Anfang alle mitgebrachten Gebetbücher und Rosenkränze
feierlich am Appellplatz verbrannt und manchem
der so begeisterten SS-Kandidaten gab es
einen
Riß, als er sah, daß er sich nun trennen mußte von allem Heiligen, das ihm
die Mutter auf den Weg gegeben hatte. Uns aber im Lager erging es wie einem
Kind, dessen Mutter auf das schimpflichste geschmäht wurde, wir klammerten uns
um so enger an unsere Mutter und, selbst in der Trostlosigkeit begraben, hatten
wir noch immer Mitleid mit der Mutter der Schmerzen, die alles Leid vor uns
getragen hatte. Immer mehr gingen 'uns die Augen auf für den Kreuzweg, den wir
nun in modernster Form erleben mußten, sei es, daß man mit den am Rücken
gebundenen Händen eine Stunde am Baum baumelte und die Leiden des Kreuzes
erlebte, sei es, daß bittere Ölbergstunden die Seele umnachteten und sie in
der vollständigen Verlassenheit Trost bei Gott suchte -
und
auch fand. Es mag wohl als eines der schönsten Erlebnisse
in dieser Zeit gelten, daß die Verheißung Christi
vor 2000 Jahren kein toter Buchstabe ist.
"Selig
sind die, die um der Gerechtigkeit willen Verfolgung leiden, denn ihrer ist das
Himmelreich." Wer kann das Glücksgefühl schildern, das oft unsere Seele
erfüllte, wenn wir daran dachten, daßalle unsere Leiden unserer Heimat
zugutekommen werden. Denn jedes Kreuz bringt einen Sieg und jeder Tod wieder
eine Auferstehung. Immer wieder spürten wir die Hand der Vorsehung, die uns oft
aus einer unerträglichen Lage rettete, die unsere bitteren Klagen hörte und
eine Gefahr bannte, die oft den sicheren Tod bedeutete. Wie spürten wir das
Gebet, das aus der Heimat uns abschirmte. Nach meiner Freilassung erfuhr ich, daß
das Kloster Säben bei Klausen in Südtirol täglich für mich gebetet hatte.
Ja es muß ein wahrer Gebetssturm zum Himmel gewesen sein, denn gerade wir Österreicher
hatten die wenigsten Todesfälle. Aber auch aus Dachau stieg ein Gebetsstrom zum
Himmel, denn wenn man auf dem Appellplatz die Reihen durchblickte, überall
bewegten sich die Lippen im Gebet. Wie oft wohl täglich dienten die zehn Finger
zur Zählung des Rosenkranzes. Wenn in der Frühe die Glocken vom nahen Dachau
ins Lager klangen, wie viele vereinten mit dem hl. Opfer ihr Leid! Da
wirklich
jegliche weltliche Bindung zusammenschmolz, wurde der Kontakt mit der Überwelt
immer enger, statt der eigenen Familie, die unerreichbar war, wuchs man hinein
in die übersinnliche Welt. Wir lernten Gott den Vater wieder kennen, der jedes Haar auf unserem Haupt gezählt
hat und ohne dessen Wissen auch wir nichts tun konnten; Gottes Sohn, der uns im
Leiden vorangegangen war, der wie wir verhöhnt und geschlagen wurde und den großen
Tröster, der die Seele mit Wonne erfüllen konnte und uns eine Stärke gab, die
ausreichte, um Jahre Sklavenarbeit zu ertragen, ohne seelisch zusammenzubrechen.
Wir wußten uns im Schutze Gottes so sicher geborgen, daß uns auch der Tod nicht
mehr schreckte, sondern wir gerne das Opfer unseres
Lebens anboten und manche es auch brachten. Einer der schönsten Züge ist mir
unvergeßlich und wert, allen bekannt zu werden. Ich fand ihn in der heroischen
Gestalt des früheren Sicherheitsdirektors von Niederösterreich, Gautsch, der
mir erklärte, er habe Gott sein Leben angeboten für seine Heimat, und er bitte
ihn täglich, daß er es auch annehmen wolle. Lieber trug er in seiner Schwäche
die 50-kg-Kohlensäcke und lehnte jede leichtere Arbeit ab, um sie ja keinem
Kameraden wegzunehmen. In Buchenwald starb er ganz verhungert. Ein Dr. Hörhager
aus Innsbruck sandte seiner Frau als Vermächtnis die letzten Worte:
"Ich sterbe als überzeugter Katholik und aufrechter Österreicher!" -
Was
Wunder, wenn wir mit den Schutzengeln und Heiligen einen engen Kontakt hatten
und blind auf ihre Hilfe rechneten. Als ich wegen einer Meldung zu einem der gefürchtetsten
Blockführer mußte, bat ich die Kleine hl.Theresia statt meiner zu sprechen,
und alles staunte, daß ich fast ohne Strafe drauskam, da ich doch Isolierung
und Prügelstrafe zu gewärtigen hatte. Der Patron der Familien, der heilige
Josef, hatte besonders viel zu tun, denn alle wußten wir die Lieben daheim in
Gefahr, aber immer hat er geholfen. Keines unserer Gebete war umsonst, ja es ist
nicht vermessen zu sagen, daß der große Segen uns auch weiter begleitet hat
und dafür in den letzten Stunden so ziemlich alle errettet wurden, auch wenn
sie ein zweitesmal ins Lager kamen, um endgültig liquidiert zu werden.
Ein
besonderes Kapitel bildete wirklich die Muttergottes. In langen Jahrhunderten blieb sie stets unberührt vom Haß, der die Kirche
verfolgte, aber diesmal war gerade sie dem gemeinsten Geifer preisgegeben. Sie,
die strahlend Reine, sollte dem
deutschen
Volk entrissen und als Jüdin verfemt werden. Auf einem Malergerüst stehend
konnte ich drei Stunden lang eine Diskussion zwischen einem SS-Blockführer und
Pfarrer Spanlang anhören, während der Maria in der unfaßbarsten Weise
geschmäht und von Pfarrer Spanlang heiß, aber vergeblich verteidigt wurde. Da
gingen mir erst richtig die Augen auf, worum es eigentlich dem
Nationalsozialismus geht, mit welch schimpflichen Mitteln unsere Religion
ausgerottet werden sollte. Da sah man in Abgründe von Gotteshaß. Man hätte
selbst ein Herz aus Stein haben müssen, wenn man sich nicht der Heiligsten,
unserer Mutter, erbarmt hätte. Und gerade Pfarrer Spanlang sollte
ausgezeichnet werden, wie Christus gekreuzigt zu werden. Vorher aber mußte er,
der stets seinen Glauben so feurig verteidigt hatte, noch eine Predigt für
die lüsterne SS halten. Er wählte sich das "Vater unser", bei dem er
allen seinen Feinden vor dem Tode verzieh.
Solche
Opfer und soviel Gebet waren groß vor dem Herrn. Und wenn uns auch der Umgang
mit Priestern bis auf einen verwehrt war -
sie waren alle
in der Isolierung unter den Schwerstleidenden -, so bahnte doch diese innige
Verbindung mit der Überwelt den großen Plan der Vorsehung an, der wie ein
Wunder wirkte, daß nämlich gerade in Dachau die Geistlichen anderer Lager
konzentriert wurden, sodaß gut 2000 Priester im armen KZGewande uns gleich
wurden. Ausgesetzt allen dämonischen Haßausbrüchen der SS und hingemordet
durch die Versuchsanstalten, schrumpften auch die Priester zusammen, aber auch
dieses Opfer und das viele Gebet dieser Apostel erwirkte wieder die große
unbegreifliche Gnade, daß ihnen eine Kapelle gestattet wurde, daß das hl. Meßopfer
und der Welterlöser selbst ins Lager seiner Vernichtung herabstieg und als
KZ-Ier bis ans Ende von Dachau mitten unter den Schwerstgeprüften gegenwärtig
blieb. Von hier aus opferte er sich und alle Leiden der Millionen, die in den
Konzentrationslagern aller Länder schmachteten, dem himmlischen Vater auf
und vereinte sein Gebet mit den Klageschreien der zu Tode Gequälten. Er wollte
und mußte dabei sein, wo seine Ebenbilder wie er ein Ecce homo wurden.
Gleichzeitig sprach er zu einer Opferseele die herrlichen Worte: "Alle, die
Mich bewahrheiten und im gegenwärtigen Kampfe Meiner Vernichtung ihr Leben
gaben, sind Meinetwillen gestorben; sie sind in Meinem Reiche in die große
Schar Meiner Märtyrer eingereiht." Ja, Martyrer sind
es geworden,
die im Haß gegen Christus
vernichtet wurden, denn er selbst war mitten unter ihnen, um ihnen den Tod
leicht zu machen.
Der
Leib konnte leiden, die Seele war erfüllt von überirdischem Glück. Wenn man
auch einem Priester aus dem Salzbürgischen eine Dornenkrone aus rostigem
Stacheldraht verfertigen ließ und
dann auf den Kopf preßte, es wurden weder
die Wunden eitrig noch starb er. Der Kreuzweg wurde in allen Stationen
durchschritten, aber die Seelen
waren opferbereit und der Herr stand mitten unter uns. So wurde der Glaube
lebendig, die Weltweite des Opfers und Gebetes ließ das eigene
Ich vergessen, und klar stand uns vor Augen, daß wir in diesem Kampf der dämonisierten
Menschen der Gegenpol
waren, das Werkzeug der Überwelt, um durch die Liebe den Haß zu besiegen.
Immer deutlicher kamen uns die Zeichen dieser Überwelt, wie oft sprachen wir
untereinander, wie
da und dort die Kleine hl. Theresia in Bedrängnis geholfen, der hl. Josef
unsere Familien beschützte, die Schutzengel uns begleiteten. War es nicht auffallend,
daß unser Engel
von Floßenbürg, Dr. Hittmair, der das ganze Lager von dem großen Ruhrsterben
errettet hatte, gerade am Todestag seines Onkels freigelassen wurde? Dieser große
Bischof Hittmair hatte sich ja im Lager Mauthausen den Flecktyphus geholt, an
der Stätte, die jetzt zum furchtbarsten Konzentrationslager werden sollte. Wenn
das religiöse Leben hinter Stacheldraht geschildert werden soll, so sei nicht
der kirchlichen Feste vergessen. Zu Weihnachten 1938 noch versammelten sich im
Museum einige Österreicher heimlich zur Mette und lasen das so trostreiche
Evangelium, woran sich eine Predigt des Geistlichen anschloß. Zu Ostern aßen
wir geweihte Eier. Unzählig sind wohl die Beichten, welche die Priester hörten.
Heimlich wurden die heiligen Hostien auch
den
Sterbenden gereicht. So strömte ein großer Segen nicht nur in die Seelen,
sondern auch auf die ganze Heimat, der unser Beten galt. Wenn auch vom Krieg
schwer getroffen, so wurde sie am Ende doch so auffallend verschont und gerade
an Tagen befreit, die uns als besondere Gnadentage bekannt sind, wie Herz-Jesu-Freitag
oder
d,er 13. des Monats oder Samstag. Man muß wirklich in einem Konzentrationslager
gewesen sein, um hinter die Geheimnisse des ganzen Nazisystems zu kommen, wie
alles nur auf Lug und Trug aufgebaut war und alles nur dem einen Zweck diente,
den Menschen zu entseelen und ihn zum willenlosen Werkzeug von Tyrannen zu
machen. Es gab nur einen Gegner, der zu fürchten war, das war Gott und sein
Wirken im Menschen, darum wurde Gott gelästert und alles was heilig war, aber
auch der Mensch in einem Ausmaß vernichtet, wie es noch nie auf der Welt
geschehen war. Galt es doch der Hölle, alles Leben auszulöschen, das ihr nicht
diente. Darum genügte ja auch der bloße Verdacht einer Gegnerschaft, um sofort
in ein Konzentrationslager zu kommen und dort mit oder ohne Qualen vernichtet
zu werden. Aber jedes Sterben bringt neues Leben, und so wuchsen neuer Glaube,
neue Liebe, neue innige Gottverbundenheit an der Stätte der Tag und Nacht
rauchenden Krematorien. Als es zu Ende ging mit aller Nazi- und SS- Tyrannei,
da zitterten wir früher Heimgekehrten um das Leben der dortigen Kameraden und
verdichteten unser Gebet für sie. Wir Eingeweihten wußten ja um die dunklen
Pläne dieser Schergen, daß nämlich alle noch vernichtet werden sollten. Aber
was wir uns schon 1938 nie erträumen konnten, das Wunder geschah: das Lager
wurde nicht verteidigt und nicht gesprengt. Amerikaner, die es befreiten,
geboten den am Appellplatz Versammelten Ruhe. Einer nahm seine Mütze ab und
hieß alle Gott zu danken für die geglückte Befreiung. Am nächsten Tag
schon war ein zehn Meter hohes Kreuz als Siegeszeichen errichtet. Umkränzt
von
den Fahnen aller Nationen feierte der Sieger (über allen Tod und Haß am Altar
wieder das Liebesopfer als Sühne für alle Verbrechen, die zwölf Jahre lang an
dieser Stätte begangen wurden. Gibt es einen herrlicheren Triumph des Kreuzes,
das nun immer in Dachau prangen wird?
Die
Priester, die auf dem Todesmarsch im Ötztal nach Bad Tölz abgedrängt wurden,
hatten sich den Heiland versteckt mitgenommen, wohl die eindruckvollste
Fronleichnamsprozession, die durch deutsche Lande gezogen ist. Keiner der
Priester ging verloren, wunderbar erreichten alle ihre Heimat.
So
ist Dachau für jeden ein inneres Erleben geworden, das keiner mehr missen möchte,
aber auch ein Wahrzeichen für unsere Heimat, daß diese Verinnerlichung
Volksgut werden soll, damit Glaube und Heimat wieder zu den höchsten Gütern
zählen, die ein Volk besitzt.
Autor
dieses Beitrags
ist Leopold Lindner, der vier Monate nach Kriegsende an den Folgen des KZ starb.
Der Artikel erschien im "St. Adalbero-Kalender" für 1946, der vom
Benediktinerkloster Lambach (bei Wels) herausgegeben wurde.
Heute
scheint die Zeit zu sein, wo alle Gnaden, die damals unserem Volk erwirkt
wurden, aufgebraucht
sind.
Gott
schütze Österreich!
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